Das Thema Loslassen hat in den vergangenen Monaten eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Beim Reduzieren in unserer Wohnung sind mir zahlreiche Erinnerungen daran begegnet, was ich schon alles gemacht habe in meinem Leben. In den Marimba-Noten finde ich einen Zettel, auf dem wir damals mit der Gruppe, die ich an Julians Schule geleitet habe, unseren Auftritt fürs Sommerfest geplant haben. Auf einem Flyer wird das Konzert angekündigt, bei dem ich 1997 erstmals den Messias mit dem Oratorienchor gesungen habe. Ich werfe einige Enzyklopädien über französische Literatur weg, die ich mir vor fast 30 Jahren im Romanistik-Studium zugelegt habe. Brauche ich den Wanderführer zum E5 noch, den wir uns gekauft haben als wir unsere Alpenüberquerung geplant haben, oder kann er jetzt jemand anderem dienen?
Immer wieder frage ich mich beim Ausmisten: Brauche ich das alles physisch noch, als Erinnerung? Oder reicht es, dass ich mich habe? Bin ich heute nicht genau die, die ich bin, weil ich all dies er-lebt und ge-lebt habe? Wie viele von diesen Erinnerungsstücken will ich aufheben? Wie gut tut es mir zurückzublicken, in Erinnerungen zu schwelgen? Findet das Leben nicht jetzt statt? Wieso habe ich mir bei so vielem in meiner Wohnung nie zuvor die Frage gestellt, ob ich es noch behalten möchte oder nicht?
Es fühlt sich unglaublich befreiend an, so viel materiellen Ballast abgeworfen zu haben. Und es wirft in mir auch die Frage auf: Was brauche ich wirklich im Leben, zum Leben? Eine Antwort wird sich wahrscheinlich erst langsam in den nächsten Monaten herauskristallisieren. Und ich vermute, meine Antwort wird sich mit der Zeit immer wieder verändern.
Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du alle Erinnerungen in ihrem Kern erkennst, damit sie im Hier & Jetzt präsent sind. Dann haben sie ihren Sinn erfüllt und können getrost eigene Wege gehen. Spannend ist noch die Betrachtung, welche der Details der Erinnerung in der Zukunft in veränderter Form auf uns warten – wenn wir also das Heute als Spiegel oder Mittellinie sehen, uns dann die Erinnerungen von vor 5 Jahren gegenwärtig machen und die Vision von unserem Leben in 5 Jahren wagen. Dieses gedankliche Experiment hilft dem kompletten Loslassen und ist für mich oft das i-Tüpfelchen beim produktiven Visionieren. Wichtig scheint mir, dass es um keine Ziele für das was kommt geht, sondern um das Reinspüren in die Möglichkeiten (aber aus Deinen Texten kann ich mir vorstellen, dass Du das auch so verstehst ;). Lichtvolle Grüße. JACQUELINE